Auf nach Griechenland IV: die ersten 100 Tage

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Vor 100 Tagen sind wir von Österreich nach Griechenland mit unserem Auto aufgebrochen. Wir verbringen in der Heimatstadt meines Mannes ein Semester mit unseren drei Kindern, die hier in die Schule bzw. in den Kindergarten gehen. Hier nun meine ganz persönliche Zwischenbilanz zu unserem Abenteuer in Griechenland, querbeet durcheinander gewürfelt, was mir eben gerade so einfällt.

Der Verkehr

Ampeln und Verkehrsregeln generell sind hier mehr Richtwerte als Richtlinien. Mein Mann meint, das griechische Verkehrssystem würde auf dem Kooperationsprinzip beruhen. Man würde an der Ampel den Vordermann anhupen, um ihn freundlich drauf aufmerksam zu machen, dass Grün wäre. Ich meine: das Verkehrssystem beruht auf dem Prinzip von Anarchie.

Parkende Autos auf dem Zebrastreifen. Alltag. Auch auf dem Schulweg übrigens. Und gerne auch in zwei Reihen. Zebrastreifen nimmt hier aber sowieso niemand ernst. Auch daran zu erkennen, dass sie meist schon zur vollständigen Asphaltgräue verblasst sind. Und wenn sie doch mal so genutzt werden, wie sie mal gedacht waren, dann kann es durchaus vorkommen, dass Fußgänger (!) mitten am Zebraschatten stehen bleiben, um ein Auto abbiegen zu lassen.

Die Warnblinkanlage ist hier auch im Dauereinsatz. Du willst ausparken? Warnblickanlage. Du hast einen Parkplatz gefunden? Warnblinkanlage. Du musst schnell in ein Geschäft? Einfach stehen bleiben mitten auf der Straße und Warnblickanlage. Ich muss sagen: daran hab ich mich durchaus schon gewöhnt und habe kein Problem mehr damit, unser Auto direkt auf der Straße vor unserem Haus im 8-Uhr-Abend-Sonntagsrückreise-Fließverkehr mit Warnblinkanlage abzustellen, um meinen schlafenden Jüngsten in die Wohnung hinaufzutragen.

Spannend, dass mir der Verkehr als erster Punkt in meiner Zwischenbilanz einfällt. Aber so ist es nun mal.

Die Schule

Als allererstes: Was bin ich stolz auf meine Kinder. Sie haben sich blitzschnell an ein für sie völlig fremdes System gewöhnt, da sie hier in Griechenland im Gegensatz zu Österreich in einer sehr klassischen jeder-muss-sitzen-still-sein-und-das-gleiche-machen-wie-alle-anderen Schule sind. Das komplette Kontrastprogramm zur Montessori-Schule in Österreich.

Und das allerwichtigste natürlich: Ihr Griechisch hat ein fantastisches Level erreicht. Sie beobachten selbst, wie sie viel sicherer und schneller sprechen können. Ich merke es daran, dass sie mittlerweile ihre Griechisch-Hausübungen oft schon ganz ohne Hilfe vom Papa machen können. Was für ein Geschenk.

Hier würde ich sagen: Ziel klar erreicht. Die ungeschönte Wahrheit ist aber: auch in meinem Kopf schwirrt schon ständig der Gedanke herum, wie wir das nur jetzt auch langfristig für sie aufrecht erhalten können. Und ich weiß, was ich den Eltern, mit denen ich arbeite, immer sage: so etwas zahlt immer auf das langfristige Konto ein, darauf dürfen wir vertrauen. Gleichzeitig, auch ich bin nur eine Mama, die das beste für ihre Kinder möchte.

Und das bringt mich eigentlich direkt zum nächsten Punkt, der tatsächlich ein für mich wunder ist.

Mein Griechisch

Der Kurs an der Uni kam nicht zustande und anstatt 3 mal pro Woche Griechischkurs zu haben, hatte ich im Endeffekt bisher nur sporadisch Einzelstunden. Die haben mir zwar enorm viel gebracht, aber von meinem Wunsch, nach dieser Zeit selbstsicher kommunizieren zu können, bin ich immer noch weit weg.

Das Institut, bei dem ich gelandet bin, hatte im ersten Moment keinen passenden Kurs für mich. Für den einen war ich noch nicht fortgeschritten genug, für den anderen zu fortgeschritten. So haben wir erstmal Einzelstunden gemacht. Leider hatten sie aber wenig Kapazität zu den Zeiten, zu denen ich konnte. Und somit waren auch diese Stunden spärlich gesät.

Aktuell ist geplant, dass ich in unseren letzten Wochen hier noch in einen Kurs von ihnen einsteige. Dann habe ich zumindest noch einige intensive Stunden, bevor wir abreisen. In der Zwischenzeit feiert mich Duolingo, weil ich praktisch keine Fehler mache.

Das Einkaufen

Jeden Donnerstag ist direkt vor unserer Haustüre Markt. Was lieb ich es! Auch wenn ich mittlerweile schon mit dem einen oder anderen Standinhaber gestritten habe (ja, ich, gestritten, auf Griechisch), so habe ich schnell auch Freunde dort gefunden. Sie begrüßen mich jedes Mal ganz freundlich, kennen alle meinen Sohn, weil der oft mit ist, und haben hervorragendes Obst und Gemüse zu sensationellen Preisen. Etwas, das mir in dieser Form defintiv fehlen wird.

In den umliegenden Geschäften ist es auch immer eine Freude reinzukommen. Sie kennen ihre Kundschaft und schenken jedes einzelne Mal etwas her. Der Bäcker gibt immer irgendwelche Kekse oder Kleinigkeiten obendrauf, in der Apotheke haben wir noch nie einen Lolli der Kinder bezahlt, die Besitzerin des Buch- und Spielzeuggeschäfts war so gerührt von unserer Geschichte, dass sie mich umarmt hat und mir ein Geburtstagsgeschenk für den Jüngsten einfach so mitgegeben hat.

Die meisten hier sind wirklich sehr freundlich, auch mir als Xeni, der Fremden, gegenüber. Die, die ungut sind, sind es dafür wirklich und machen auch keinen Hehl draus. Eigentlich ein System, mit dem ich sehr gut leben kann. Du weißt hier immer, woran du bist.

Das Meer

Ich bin in meinem Leben schon oft alleine für längere Zeit an fremde Orte gegangen. 4 Monate UK. 3 Monate Kreta. 4 Monate Venedig. 6 Jahre Niederlande. 5 Monate Vancouver. Ich liebe es, mir neue Orte vertraut zu machen. Die Zusammenhänge kennen und verstehen zu lernen, geografisch wie sozial. Straßen entlang zu schlendern, alleine Sightseeing zu machen, neue Menschen kennenzulernen, neue Freunde zu finden.

Mit drei Kindern im Schlepptau, a whole different story. Die paar Male, wo ich hier in Thessaloniki überhaupt ans Meer runter gekommen bin, kann ich an zwei Händen abzählen. Immerhin habe ich mir manchmal in der Früh, nach dem Kinderabliefern, die Zeit genommen, und bin hinunterspaziert. Was für ein Privileg in 15 Gehminuten direkt am Meer zu sein. Workout für Körper, Geist und Seele.

Wir hatten große Pläne, ich dachte, wir würden TOTAL viel Sightseeing machen. Ausgrabungen, die Umgebung von Thessaloniki, Thessaloniki selbst. Die Liste an Dingen, die wir nicht gesehen haben bisher, ist immer noch richtig lang. Das erfordert von mir Milde mit mir und uns als Familie.

Die Ausflüge

Wir haben aber auch einige wunderschöne Ausflüge gemacht. Berg Olympus, wow, wie irre schön. (Auch hier übrigens wieder das Zugeständnis, dass es nicht unbedingt um das Endergebnis, den Gipfel, geht, sondern um alles, was wir grundsätzlich gemeinsam erleben. Aber das ist eine Geschichte für sich selbst).

Wir waren schon einge Male auf Chalkidiki. Wie erfrischend aus der lauten, staubigen Großstadt rauszukommen. Jetzt ist dort alles grün und blüht und du Luft ist sauber und klar. Wir waren sogar schon schwimmen. Mehrmals. Im zugegeben kalten, aber glasklaren, türkisblauen Meer. Dafür waren wir an den ansonsten überfüllten Stränden quasi alleine. Die Mädchen und ich haben so viele Muscheln gefunden wie überhaupt noch nie an diesen Stränden.

Wir haben noch einige Ausflüge geplant. Mal schauen, was wir noch schaffen werden.

Mein bisheriges Fazit

Es geht um den Weg. Es geht ums Miteinander. Viel hier dreht sich für mich um die Begleitung meiner Kinder durch diese aufregende Zeit. Für sie ist es nicht immer leicht. Und es kam, nicht viel, aber doch, Heimweh auf. Und alle freuen sich jetzt auch wieder auf Österreich.

Was aber allen hier in unterschiedlicher Ausprägung und auf verschiedenen Bewusstseinsebenen klar geworden ist, hat meine Älteste in einer herzergreifenden Erkenntnis geteilt (und mir ausdrücklich die Erlaubnis erteilt, hier davon zu erzählen):

„Mama“, sagte sie eines Nachmittags völlig unvermittelt zu mir, „ich wünschte, es gäbe mich zweimal. Einmal hier in Griechenland und einmal in Österreich. Und ich könnte dann immer entscheiden, wo ich gerade sein möchte.“

Für mich ist das mehr wert, als all die verpassten Gelegenheiten für Ausflüge, Sightseeing oder meinen eigenen Erkundungstouren zusammen. Nämlich ihre Erkenntnis, nachdem sie sich jahrelang als Österreicherin identifiziert hat, dass sie auch hier her gehört.

Wenn du die Geschichte unserer Auslandssemsters in Griechenland von Anfang an kennenlernen möchtest, dann schon doch hier, hier und hier nach.

Und hier findest du Sophias und mein Fazit.

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