Die 7 häufigsten Fragen von mehrsprachigen Eltern
Jede mehrsprachige Familie ist anders. Jede Familie hat ihre eigene Sprachkonstellation, ihre eigenen Ziele und ihr individuelles Set an Ressourcen. Dennoch gibt es Fragen, die bekomme ich immer wieder gestellt. Jetzt gibt es hier die geballten Kompaktantworten auf die 7 häufigsten Fragen, die mir mehrsprachige Eltern stellen.
1 Was muss ich beim mehrsprachigen Erwerb beachten?
Das allerwichtigste, das es zu beachten gibt, ist, dass jede Familie ihre ganz persönliche, individuelle Sprachstrategie braucht. Keine mehrsprachige Familie ist genau gleich wie eine andere. Jede hat andere Bedürfnisse, eigene Ziele und unterschiedliche Ressourcen. Während die einen die Großeltern ums Eck haben und so locker die Minderheitensprache hervorragend fördern können, sind andere ganz alleine auf einer Insel ohne Anschluss und ohne Ressourcen.
Da gilt es den richtigen Weg zu finden, der mit den vorhandenen Mitteln, etwas Kreativität und entsprechendem Commitment sicherstellt, dass die Familiensprachen so weitergegeben werden können, dass die Kinder maximal davon profitieren.
Und dann heißt es: reden, reden, reden. Denn nur mit entsprechendem Input kann ein Kind alle Sprachen auch tatsächlich lernen. Und egal, welche Herausforderung kommt, hört nie auf mit eurem Input. Wenn der Input nicht mehr gegeben ist, dann verschwindet die Sprache über kurz oder lang nicht nur aus dem Umfeld des Kindes, sondern auch aus dem Gehirn des Kindes.
Und wenn ihr euch unsicher seid, wie ihr es am besten angeht, dann holt euch professionelle Hilfe. Die gibt es heute bereits in vielen Orten und in den verschiedensten Varianten. Allen gemein ist, dass sie mehrsprachige Familien, genau wie ich, dabei unterstützen wollen, diesen enormen Schatz, dieses Geschenk, das die Kinder da bekommen, bestmöglich in den Alltag zu integrieren.
2 Darf ich in einer anderen Sprache Bücher vorlesen?
Mehrsprachige Familien haben (hoffentlich) viele Bücher in allen Familiensprachen. Da es ja auch von mir immer heißt, je jünger die Kinder sind, desto konsequenter sollte man in der Umsetzung der Sprachstrategie der Familie sein, stellt sich oft die Frage, ob es ok ist, in einer anderen als der eigenen Sprache Bücher vorzulesen. Ja, ist es.
Ihr solltet nur folgendes bedenken: handelt es sich um Bücher in der Umgebungssprache, die die Kinder wahrscheinlich ohnehin gut beherrschen, da sie in Kindergarten, Schule, von Freunden und Bekannten gesprochen wird, dann kann es sinnvoll sein, die Bücher in die eigene Muttersprache zu übersetzen, anstatt sie in der Umgebungssprache vorzulesen.
Handelt es sich um Bücher in der Minderheitensprache der Familie, dann kann die jedes Familienmitglied, die dessen mächtig ist, in der entsprechenden Sprache vorlesen. Das ist dann positiver zusätzlicher Input, der in jedem Fall mehr nützt, als dass er in irgendeiner Form schaden würde.
Bei uns zum Beispiel liest mein Mann alle deutschen Bücher auf Griechisch vor. Ich wiederum lesen griechische Bücher auch immer auf Griechisch vor. Die Kinder korrigieren meine Aussprache mit detailverliebter Hingabe. Und ich lasse mir das, was ich nicht verstehe, auch gleich von meinen Kindern erklären. Hilft mir und unterstützt ihr griechisches Selbstbewusstsein.
Übrigens: das gleiche gilt auch für Lieder. Es spricht überhaupt nichts dagegen, mit euren Kinder Lieder in anderen Sprachen zu singen. Lieder sind eine hervorragende Möglichkeit, mit Spaß und Leichtigkeit eine Sprache zu stärken.
3 Kann ich alleine auch mehr als eine Sprache weitergeben?
Vor dieser spannenden Frage stehen Elternteile, die selbst mehrsprachig aufgewachsen sind. Oft möchten sie beide ihre Sprachen weitergeben, wissen aber nicht wie. Ich hatte auch schon Eltern, die selbst sogar mit mehr als 2 Sprachen aufgewachsen waren, und nun vor der Herausforderung standen, alles an ihr Kind weitergeben zu wollen.
Das wichtigste mal zuerst: dein Kind ist von mehr als 2 Sprachen auch nicht überfordert. Solange die Sprachen alle für den Alltag des Kindes relevant sind, wird das Kind die Sprachen auch lernen.
Was die Herausforderung in solchen Fällen ist, ist die tatsächliche Organisation im Alltag und die Entscheidung, welcher der Sprachen der Vorrang eingeräumt wird. Die Höhe der Sprachkompetenz, die ein Kind in einer einzelnen Sprache erreichen kann, ist direkt abhängig von der Menge und der Qulität des Inputs. Wenn jetzt eine Person mehr als eine Sprache weitergibt, dann ist der Input in allen diesen Sprachen automatisch begrenzt, da ja zu einem Zeitpunkt X immer nur eine Sprache Y gesprochen werden kann.
In diesen Fällen ist es wichtig, die Ressourcen der Familie abzuklären und klare Zielsetzung für alle Sprachen vor Augen zu haben. Danach kann man Strategien entwickeln, die genau zur Familie passen.
Die Mutter könnte sich zum Beispiel entscheiden, dass sie Türkisch den Vorrang geben will, aber gleichzeitig auch einen Grundstock Französisch weitergeben möchte. Dann könnte die Hauptsprache mit dem Kind Türkisch werden, aber immer beim Abendessen sprechen sie Französisch. Der Phantasie sind hier fast keine Grenzen gesetzt. Umsetzbar muss es sein, alle müssen sich wohlfühlen, und es darf Spaß machen.
4 Wie bringt man am besten Lesen und Schreiben in der Minderheitensprache bei?
Die Vorstellung vom Lesen und Schreiben Lernen ist bei den meisten geprägt von den eigenen Erfahrungen in der Schulzeit. Und das kann je nach Land völlig unterschiedlich sein. In Österreich oder Deutschland kommt man zum Beispiel mit 6 in die Schule und beginnt dann mit dem klassischen Lese- und Schreibtraining.
Ich halte es hier mit Dr. Maria Montessori. Sie hat beobachtet, dass die meisten Kinder schon viel früher Interesse für Lesen und Schreiben zeigen. Und dem sollte man nachgeben. Wenn das Kind also anfängt zu fragen, was denn da steht oder wie man was schreibt, dann zeigt es eurem Kind.
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Aus der Forschung wissen wir, dass Lese- und Schreibfähigkeiten in einer Sprache den Erwerb dieser Fähigkeiten in einer zweiten Sprache positiv begünstigen. Zumindest dann, wenn es sich um das gleiche Schriftsystem handelt. Es spricht also alles dafür, in der Sprache zu beginnen, für die das Kind sich zuerst interessiert.
Außerdem gibt es vor allem in größeren Städten für viele Sprachen auch eigene Sprachschulen für Kinder mit dem entsprechendem sprachlichen Hintergrund. Wenn nicht gerade coronabedingt geschlossen ist, gehen meine Kinder etwa einmal in der Woche in eine griechische Schule, wo ganz gezielt Lesen und Schreiben gelernt wird.
Meine Älteste konnte das zu dem Zeitpunkt, als sie dort in die Schule kam aber bereits. Sie hatte es sich mehr oder weniger selbst beigebracht. Mit einem Alphabet-Spiel und mit Nachfragen beim gemeinsamen Lesen mit Papa. In der Schule wird es jetzt verfeinert, einfach regelmäßig geübt und Rechtschreibung wird natürlich auch gleich mitgegeben.
Wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, dann empfehle ich, dass ihr euch einschlägige Bücher in der jeweiligen Sprache besorgt und das gemeinsam mit eurem Kind zuhause macht.
Lesen und Schreiben sind in unseren Breitengraden wichtige Kulturfertigkeiten. Vielleicht steht es nicht oben auf eurer Prioritätenliste, das euren Kinder beizubringen. Profitieren werden sie davon auf lange Sicht gesehen aber enorm. Aufkommendes Interesse empfehle ich daher auf jeden Fall immer mit Kreativität und Leichtigkeit so viel wie möglich zu unterstützen.
5 Sind digitale Medien gute Quellen für Sprachinput?
Das kommt ganz darauf an, wie alt dein Kind ist und wie der Input sonst aussieht. Das wichtigste ist sicher das Alter des Kindes. Unter 2 Jahren bringt Input von digitalen Medien nichts. In diesen jungen Jahren lebt der Spracherwerb von der direkten Interaktion mit anderen Menschen. Das Kind muss dich beobachten können, deine Reaktionen sehen, dir beim Sprechen zuschauen können, gemeinsam mit dir Dinge sehen, angreifen, besprechen und direkte Antworten bekommen können. So baut sich das Bild der Welt und der Sprache nach und nach in seinem Gehirn auf.
Je älter das Kind aber wird, desto wertvoller wird auch Input über digitale Medien. Über Videos kommt Sprachinput von anderen Menschen ins Haus, der Wortschatz erweitert sich automatisch, und wenn es sich um Originalserien handelt, wird meist auch gleich etwas von der Kultur mitvermittelt. Besonders für Minderheitensprachen ist das total spannend und bereichernd. Meine Kinder kommen zum Beispiel kaum mit anderen griechischen Kindern zusammen. Griechische Kinderserien geben da Input aus Kinderperspektive, der ja auch wesentlich zum Gesamtbild dazugehört.
Eine weitere spannende Option sind Sprachlernapps. Meine Älteste hat meine Duolingo App für Griechisch quasi zur Gänze gekapert. Sie übt dabei lesen, schreiben und sprechen. Hervorragend.
Je nach Sprache gibt es auch Apps, die besonders für Kinder und deren Spracherwerb gemacht sind. Spanisch ist da zum Beispiel ein Vorreiter, da die zweisprachige Community enorm groß ist.
So bereichernd digitale Medien sein können, so darf man aber völlig unabhängig vom Alter nicht auf der interaktive Komponente vergessen. Der direkte Kontakt und Austausch in einer Sprache darf dadurch nicht vernachlässigt werden, wenn eine Kompetenz auf allen Ebenen erreicht werden soll.
6 Mein Kind spricht nicht meine Sprache mit mir. Was soll ich tun?
Zu aller erst: du bist nicht alleine! Es kommt total häufig vor, dass Kinder zuhause nur in einer der Familiensprachen kommunizieren. Besonders dann, wenn diese Sprache gleichzeitig auch die Umgebungssprache ist.
Als erstes also: Ruhe bewahren. Als nächstes: sicherstellen, dass das Kind die Sprache versteht. Solange das gegeben ist, können wir mit Sicherheit sagen, dass die Sprache im Gehirn deines Kindes angelegt ist und jederzeit ausgebaut werden kann.
Und dann: unbedingt dran bleiben. Die Sprache auf gar keinen Fall aufgeben. Gelegenheiten suchen, in denen nur deine Sprache verwendet werden kann, um zu kommunizieren. Denn dein Kind verwendet nur dann die Umgebungssprache, wenn es weiß, dass sein Gegenüber diese auch versteht.
7 Wie halte ich durch?
Kennst du das auch? Vielleicht lebst du selbst schon länger im Ausland und fühlst dich in der Zweitsprache sehr wohl. Wenn dein Kind dann mit der Umgebungssprache nach Hause kommt, dann fällt es dir schwer, bei deiner Muttersprache zu bleiben.
Oder vielleicht bist du selbst zweisprachig aufgewachsen, hast dich aber entschieden, mit deinem Kind nur eine deiner beiden Sprachen zu sprechen. Das ist natürlich auch eine große Umstellung für dich.
Oder dir fehlt einfach die Unterstützung in deinem Umfeld. Du bist die einzige, die eine mehrsprachige Familie hat und findest es schwer, niemanden zu haben, mit dem du dich austauschen kannst.
Und weil du dazu noch inkonsequent bist, kommt die Sprache auch nicht so bei deinem Kind an, wie du dir das erträumt hattest. Da scheint aufgeben irgendwie gerade leichter.
Was dir meiner Erfahrung nach hilft sind 3 Dinge: 1) Erhöhe deinen eigenen Input in der Sprache, die du weitergeben willst. Podcasts, Filme, Serien, Zeitschriften, Bücher. 2) Suche Gleichgesinnte. Vielleicht gibt es vor Ort niemanden, aber dank des Internets ist es heute nicht mehr schwierig, eine Online-Community zu finden, die deine Herausforderungen kennt. 3) Hole dir professionelle Unterstützung. Bau mit Hilfe von einer Expertin ein System auf, das für dich auch wirklich umsetzbar und lebbar ist. Schöpfe alle Ressourcen aus, verstehe wirklich, was es braucht, damit dein Kind erfolgreich und langfristig mehrsprachig wird.
Und halte dir immer vor Augen: deine Sprache ist Teil deiner Identität und somit auch Teil der Identität deines Kindes. Das, was du deinem Kind mit dieser Sprache schenkst, wird es den Rest seines Lebens begleiten. Damit das auch sicher klappt, beginnst du übrigens am besten hier mit den 5 Bausteinen für erfolgreiches zweisprachiges Erziehen. Und wenn du Fragen hast, dann hinterlass mir gerne einen Kommentar.